
Ein Paar kauft sich ein Haus auf dem Land, kurz darauf entstehen 186-Meter-Türme hinter dem Garten. Die Besitzer fühlen sich betrogen und klagen
Ein schmuckes Friesenhaus ein Stück außerhalb des Ortes, ein Stall mit vier Pferdeboxen, weite Koppeln und viel Grün. Für diesen Traum vom Landleben hat ein junges Paar einen Kredit aufgenommen, all sein Erspartes investiert. Erst nachdem die Tinte auf dem Kaufvertrag getrocknet ist, erfahren beide: Nebenan entsteht ein Bürgerwindpark.
Jetzt muss sich die Justiz um die Sache kümmern. Vor dem Kieler Landgericht wird seit gestern darüber gestritten, ob Hausbesitzer dazu verpflichtet sind, Kaufinteressenten über Windparkprojekte aufzuklären. Die beiden Käufer fühlen sich arglistig getäuscht, fordern 95 000 Euro Schadensersatz.
Der Fall: Im August 2011 hatten Sandra Knop und Matthias Liskow das Anwesen in Bendorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde) bei einem Immobilienportal entdeckt. Beide sind Versicherungskaufleute und begeisterte Reiter. Für 295 000 Euro griffen sie zu. Kein Schnäppchen, aber auch nicht zu teuer für einen Lebenstraum. „Wir wollten raus aufs Land, hier passte alles“, sagt Matthias Liskow.
Nun werden neben ihrem Grundstück gerade die Fundamente gegossen: Für neun Kolosse der Firma Enercon, Typ E101, jeder ist 186 Meter hoch. „Eine der Windmühlen steht nur 400 Meter von unserer Grenze entfernt“, sagt Sandra Knop. „Makler haben uns erklärt, dass unsere Immobilie jetzt quasi unverkäuflich ist.“
Wusste das auch die ehemalige Besitzerin? „Dass nebenan ein Bürgerwindpark entsteht, hat Frau S. beim Verkaufsgespräch mit keiner Silbe erwähnt, obwohl es längst Dorfgespräch war“, so Liskow. „Sie erklärte uns, sie wolle zu ihrer kranken Mutter nach München ziehen.“ Doch dem damals stellvertretenden Bürgermeister erzählte Frau S. offenbar eine andere Version: Sie soll sich bereits über den Bau der Biogasanlage geärgert und gesagt haben: „Wenn jetzt auch noch der Windpark kommt, dann verkaufen wir.“
„Nachdem der stellvertretende Bürgermeister uns davon erzählt hat, haben wir geklagt“, sagt das Pärchen zum Richter.
Im Gerichtssaal erscheinen Frau S. und ihr Ehemann nicht. Beide wohnen mittlerweile wieder im Norden, wieder ländlich, in der Nähe von Husum. Ihr Rechtsanwalt erklärt: „Mit dem stellvertretenden Bürgermeister ist nie über den Windpark gesprochen worden. Meine Mandantin wusste gar nicht, dass er gebaut werden soll und konnte die Käufer deshalb nicht aufklären. Sie ist aus familiären Gründen weggezogen.“
Eine Gewährleistung wurde im Kaufvertrag ausgeschlossen. „Das gilt natürlich nicht, wenn Mängel vorsätzlich oder arglistig verschwiegen wurden“, betont der Richter – fügt allerdings hinzu: „Wenn die Beklagte auf ihrer Position beharrt, wird es schwierig, die Frage zu klären, was sie wirklich wusste.“ Er rät zu einem Vergleich, der bei der Hälfte der geforderten Summe liegen könnte.
Der Rechtsanwalt von Frau S. lehnt ab: „Nein, wir wollen keinen Vergleich. Ich verstehe auch nicht, warum die Gegenseite klagt. Selbst wenn meine Mandantin gewusst hätte, dass ein Windpark geplant war, so konnte sie nicht sicher sein, dass er wirklich gebaut wird. Wo kämen wir denn hin, wenn ich als Verkäufer über Gefahren aufklären muss, die möglicherweise niemals akut werden?“ Der Rechtsanwalt des jungen Pärchens insistiert: „Die Planungen liefen bereits seit 2009 und 2011 war das Projekt schon sehr konkret.“
Beide Parteien und der Richter wühlen sich durch ihre Akten, halten fest: Im Juni 2011 ist Bendorf im Regionalplan der Landesregierung als Windkrafteignungsfläche ausgewiesen worden, im August 2011 wurde der Kommune Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, wenig später gab es ein Rundschreiben an die Bürger. Der Richter sagt: „Ich muss zunächst rechtlich einordnen, wann ein Windpark eine Aufklärungspflicht herbeiführt.“
Die Verhandlung wird vertagt. Am 23. Juni soll der ehemalige stellvertretende Bürgermeister als Zeuge vernommen werden. Danach muss möglicherweise ein Gutachter klären, wie hoch der Schaden ist. Daran, dass ein Schaden entstanden ist, ließ das Gericht gestern keinen Zweifel: „Ein Windpark ist in der Bevölkerung nicht gern gesehen, das drückt den Preis.“
Quelle: SHZ
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